Welche Zuckeralternativen sind unbedenklich?
Ihr wisst, wir befassen uns schon lange mit Zuckeralternativen. Denn bereits seit über 20 Jahren (!) backen wir zuckerfrei. Angefangen hat es mit Diabetikern in unserer Familie. Das hat dazu geführt, dass wir uns intensiv mit den Themen „Kochen und backen ohne Zucker“, „Zuckeralternativen“ und „Folgen von Zuckerkonsum“ auseinandergesetzt haben.
Seit inzwischen über 12 Jahren verwenden wir zum Kochen und Backen Xylit, seit ca. 10 Jahren auch Erythrit. Wir haben uns bewusst für diese Stoffe entschieden und die Rezepte, die wir in unseren Büchern, in unserem Blog und auf Social Media mit euch teilen, enthalten meist diese Zuckeraustauschstoffe.
Doch in den letzten Monaten las man vor allem auf Social Media und in den gängigen Medien eine Schlagzeile:
Erythrit und Xylit verändern das Mikrobiom!
Um gleich vorwegzugreifen: Ja das stimmt!
Erythrit und Xylit zeigen in Studien verschiedene Effekte auf Stoffwechsel und Gesundheit, darunter auch auf das Darmmikrobiom. Was auf Social Media und in den poplärwissenschaftlichen Medien aber mitschwingt (obwohl es nirgendwo so steht) und was für einen Aufschrei sorgt, ist die Annahme, dass so eine Veränderung automatisch negativ ist.
Wer sich aber wirklich mit der Funktionsweise unsere Mikrobioms auseinandergesetzt hat, der weiß: JEDE Veränderung der Ernährung führt automatisch zu einer Veränderung des Mikrobioms. Auch, wenn Sie heute anfangen, mehr Vollkorn zu essen oder mehr Obst zu sich nehmen oder wenn Sie ab sofort keinen Alkohol mehr trinken – all dies wird zu einer Veränderung Ihres Mikrobioms führen. Ist diese Veränderung automatisch schlecht? Vielleicht für einige Bakterienarten in Ihrem Darm. Aber für Ihre Gesamtgesundheit eher nicht. Falls Sie sich generell dafür interessieren, wie Ernährung Ihre Gesundheit beeinflusst, lesen Sie doch gern auch diesen Artikel.
Wir können also schonmal festhalten: Nicht jede Veränderung des Mikrobioms hat automatisch negative Auswirkungen.
Was sagt nun aber die Studienlage genau?
Welche Wirkung haben Xylit (Birkenzucker) und Erythrit auf das Mikrobiom?
- Erythrit wird nahezu vollständig im Dünndarm aufgenommen und unverändert über den Urin ausgeschieden. Lediglich rund 10% der aufgenommenen Menge kommen überhaupt im Dickdarm an (wo die überwiegende Mehrheit des Mikrobioms angesiedelt ist). Eine aktuelle Studie (1) aus September 2024 zeigt, dass Erythrit die Konzentration von kurzkettigen Fettsäuren wie Acetat, Propionat und Butyrat im Körper erhöht. Diese Fettsäuren, die von Darmbakterien produziert werden, haben positive Effekte auf den Stoffwechsel und die Gesamtgesundheit eines Organismus.
- Xylit, auch bekannt als Birkenzucker, gelangt bis in den stark von Mikroorganismen besiedelten Dickdarm und wird dort teilweise von den Darmbakterien verstoffwechselt. Xylit dient den dort ansässigen Bakterien wie Bacteroides und Lachnospiraceae als Nahrung, wodurch diese in ihrer Anzahl zunehmen. Diese Bakterien sind für die Produktion von Propionat, einer kurzkettigen Fettsäure mit entzündungshemmenden und pH-senkenden Eigenschaften verantwortlich. Zugleich verdrängen sie pathogene, also krankmachende, Keime, in dem ein niedriger pH-Wert das Wachstum potenziell schädlicher Bakterien wie Escherichia und Staphylococcus hemmen kann (1).
In der vorliegenden Studie wurde eine positive Veränderung des Darmmikrobioms bei Aufnahme von Erythrit und Xylit festgestellt.
Diese Eigenschaft trägt zu seiner guten Verträglichkeit bei. Es beeinflusst weder den Blutzuckerspiegel noch die Insulinwerte und kann durch die Stimulation von Sättigungshormonen das Hungergefühl reduzieren, was potenziell zu Gewichtsverlust beitragen kann.
Machen Xylit und Erythrit dick?
Immer wieder hört man den Rat: „Lieber keine Zuckeraustauschstoffe verwenden sondern lieber einfach den Zucker reduzieren oder weglassen!“ Denn Zuckeraustauschstoffe machen angeblich langfristig dick, in dem sie dem Körper vortäuschen, dass Zucker konsumiert wurde, was zu einer Insulinausschüttung führt, welche wiederum Heißhunger anregt.
Zunächst einmal: Wenn es so einfach wäre, auf Süßes zu verzichten, warum fällt es dann den meisten so schwer? Dieser Ratschlag ist also nicht wirklich hilfreich. Vor allem für Menschen mit Diabetes, für alle, die abnehmen wollen (oder müssen) und erst am Anfang ihrer Ernährungsumstellung stehen, ist es unendlich schwer, Gewohntes aufzugeben und einfach ersatzlos wegzulassen. Der gut gemeinte Ratschlag ist also überhaupt nicht zielführend.
Sind Xylit und Erythrit also sinnvolle Alternativen zu Zucker?
Die beiden Zuckeralkohole Xylit und Erythrit haben einen niedrigen glykämischen Index. Das macht sie besonders für Menschen mit Diabetes oder für alle, die eine kalorienbewusste Ernährung anstreben, attraktiv. Wie zwei Humanstudien (2 und 3) der Basler St. Clara Forschung AG zeigen, haben die beiden Zuckeraustauschstoffe interessante Effekte auf Darm, Blutzuckerspiegel und Sättigungsgefühl:
1. Wirkung von Xylit und Erythrit auf Darmhormone und das Sättigungsgefühl
Wie zwei Humanstudien (2 und 3) der Basler St. Clara Forschung AG zeigen, stimuliert die Aufnahme von Xylit und Erythrit über die Nahrung die Ausschüttung von Sättigungshormonen und führt zu einer langsameren Magenentleerung. Kurzum: Wer Xylit und Erythrit isst, ist sogar länger satt! Wie dieses erstaunliche Ergebnis zustande kommt, erklären die Forscher folgendermaßen:
Xylit und Erythrit stimulieren dosisabhängig die Freisetzung von cholecystokinin (CCK), GLP-1 und PYY. Diese Hormone spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation des Appetits und der Sättigung. Die gleichzeitige Verlangsamung der Magenentleerung unterstützt die länger anhaltende Sättigung. Diese Kombination dieser Effekten deutet darauf hin, dass Xylit und Erythrit sogar dazu beitragen könnte, ein Überessen zu verhindern und so das Gewicht zu regulieren. Besonders bei Patienten mit Adipositas oder Diabetes könnte dies von großem Nutzen sein.
Übrigens unterscheiden sich die Wirkprofile der Süßungsmittel Xylit und Erythrit damit deutlich von denen künstlicher Süßstoffen (z.B. Aspartham und Acesulfam), bei denen keine Sättigungshormone freigesetzt werden – daher sollten die beiden Stoffgruppen nicht gleichgesetzt werden.
2. Einfluss von Xylit und Erythrit auf Blutzucker, Insulinspiegel und Blutfettwerte
Die Einnahme von Xylit und Erythrit hatte in der oben genannten Studie überhaupt keinen Effekt auf die Blutfettwerte. Bei Xylit war zwar ein Effekt auf den Blutzucker- und Insulinspiegel nachweisbar, er fiel jedoch schwach aus und war dosiabhängig. Erythrit beeinflusste weder den Blutzuckerspiegel noch den Insulinspiegel.
Die Tatsache, dass Xylit und Erythrit die Blutfettwerte nicht beeinflusst, ist positiv, insbesondere in Hinblick auf kardiovaskuläre Risiken.
3. Gastrointestinale Effekte von Xylit und Erythrit
Obwohl besonders Xylit in höheren Dosen gastrointestinale Symptome wie Darmgeräusche oder Blähungen verursachen kann, wurden in der Studie keine schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Durchfall oder Schmerzen berichtet.
Dies deutet darauf hin, dass die Zuckeralkohole in moderaten Mengen gut verträglich sind und keine signifikante Belastung für den Magen-Darm-Trakt darstellen.
4. Der Einfluss auf die Harnsäure
Der Konsum von Xylit hatte einen monderaten, aber dennoch messbaren Anstieg der Harnsäure zur Folge (bei Eythrit trat dieser Effekt nicht auf). Die vorliegende Studie zeigt, dass ein Anstieg der Harnsäure nach der Einnahme von 35 g Xylit statistisch signifikant war. Bei niedrigeren Dosen (7 g und 17 g) wurde kein signifikanter Anstieg der Harnsäure berichtet.Eine chronische Erhöhung der Harnsäure ist mit Gicht oder anderen metabolischen Komplikationen assoziiert. Dies erfordert Vorsicht bei Patienten mit bestehender Hyperurikämie oder Gicht, die täglich 35 g Xylit oder mehr zu sich nehmen.
Schlussfolgerung
Die Ergebnisse dieser Studien legen nahe, dass Erythrit und Xylit nicht nur als Ersatz für Zucker in der allgemeinen Ernährung geeignet ist, sondern auch in spezifischen klinischen Kontexten wie der Diabetestherapie oder bei adipösen Patienten mit Sättigungsproblemen eingesetzt werden könnten.
Die Kombination aus niedrigem glykämischen Index, Förderung der Sättigung und guten gastrointestinale Verträglichkeit macht die Zuckeralkohole zu einem sinnvollen Bestandteil einer gesunden Ernährung, insbesondere dann, wenn es gilt, Zucker zu meiden. Weitere Studien mit größeren Kohorten und Langzeituntersuchungen sind aber sicherlich sinnvoll, um diese Effekte zu bestätigen und potenzielle Risiken auszuschließen.
In diesem Zusammenhang sei jedoch noch einmal auf die Folgen von Zuckerkonsum hingewiesen, die wissenschaftlich gut belegt sind: Angefangen bei einer nachweisbar negativen Veränderung des Mikrobioms bis zu Stoffwechselentgleisungen (z.B. Diabetes), chronischen Entzündungen, Adiopsitas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Karies, Leberverfettung, Gicht, psychische Schwierigkeiten, etc. Im Klartext: Während wir bei Zuckeralkoholen wie Xylit und Erythrit bisher zwar positive Effekte sehen, die Studienlage aber noch nicht sicher ausschließen kann, dass negative Effekte möglich sind, wissen wir bereits sehr gut um die extrem negativen Effekte der aktuell gängigen und verbreiteten Alternative: Zucker.
Wir würden sogar so weit gehen, zu sagen: Wäre Zucker ein Stoff, der heute neu entdeckt würde – er würde aufgrund seiner vielen negativen Auswirkungen niemals auf dem Markt zugelassen werden! Warum viele Menschen heute dennoch so unbekümmert Zucker konsumieren, aber Alternativen so kritisch gegenüberstehen, erschließt sich uns nicht.
Was ist mit Alternativen wie Honig, Ahornsirup, Agavendicksaft, Kokosblütenzucker oder Rohrzucker?
Viele Menschen haben inzwischen glücklicherweise zumindest im Ansatz verstanden, wie ungesund Zucker ist. Doch auch (vermeintlich) natürlichere Zuckerarten, wie etwa Honig, Fruchtsirup, süße Früchte, Agavendicksaft, Kokosblütenzucker oder Rohrzucker sind aus den oben genannten Gründen kein sinnvoller Ersatz für den in Verruf geratenen Haushaltszucker.
Auch wenn diese Zucker-Alternativen zunächst gesünder erscheinen, ist dies doch trügerisch. Zwar enthalten nahezu all diese natürlichen Zucker-Alternativen wertvolle Stoffe, die im Industriezucker (auch als Haushaltszucker bezeichnet) nicht mehr vorkommen, vor allem Mineralien und Spurenelemente, jedoch sind auch diese vermeintlich gesunden Zuckeralternativen extrem reich an natürlichem Zucker – mit all seinen oben dargestellten negativen Konsequenzen. Sie können daher nicht das Problem des grundsätzlich zu hohen Zuckerkonsums lösen und haben leider einen ähnlich schädlichen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel wie raffinierter Zucker. Mehr noch: Die „gesunden“ Alternativen verleiten einerseits dazu, unkritisch Zucker zu konsumieren, da sie ja vermeintlich gesünder sind. Und andererseits haben sie in der Regel eine niedrigere Süßkraft als Haushaltszucker, so dass auch schnell man im Summe mehr davon im Essen landet, als es bei Zucker der Fall wäre.
Synthetische Süßstoffe
Auf dem Markt gibt es zahlreiche künstliche Süßstoffe. Zu den gängigsten gehören Saccharin (E 954), Sucralose (E 955), Aspartam (E 951) und Acesulfam (E 950). Sie alle haben eine viel höhere Süßkraft als Zucker (z.B. ist die Süßkraft von Saccharin 400- bis 500-mal so hoch wie die von Zucker). Gleichzeitig enthalten die meisten nahezu keine Kalorien. Das macht sie scheinbar zum idealen Ersatz für Zucker. Auch wenn die Süßstoffe einen besonders schlechten Ruf haben: Eindeutige Beweise für schwerwiegende Gesundheitsschäden durch einen moderaten (!) Süßstoffkonsum gibt es bislang nicht. Allerdings gibt es viel Forschung im Bereich der künstlichen Süßstoffe, und in einer großen Humanstudie zeigte sich beispielsweise, dass der Konsum künstlicher Süßstoffe die Glukosetoleranz – also die Fähigkeit des Körpers, den Blutzuckerspiegel zu regulieren – verschlechtert (4)
Darüber hinaus zeigte sich, dass die synthetischen Süßstoffe Saccharin, Sucralose, Aspartam und Stevia auch in Mengen, die unterhalb der empfohlenen Maximaldosis lagen, das Mikrobiom veränderte. Dieser Effekt wurde ja bereits weiter oben erklärt – und auch, dass dies nicht pauschal negativ zu werten ist. Allerdings veränderte sich, im Gegensatz zur Einnahme von Xylit und Erythrit, das Mikrobiom hierbei teilweise negativ. Das auf diese Weise modifizierte Mikrobiom war teilweise in der Lage, in keimfreien (GF) Mäusen eine Glukoseintoleranz zu fördern (5).
Die Ergebnisse der Studie (4) zeigen, dass Saccharin und Sucralose die Glukosetoleranz bei gesunden Erwachsenen signifikant verschlechterten, während Aspartam und Stevia keinen solchen Effekt hatten. Der Anstieg der glykämischen Reaktion war während der Zeit der Exposition deutlich, insbesondere in der Sucralose- und Saccharin-Gruppe, während er nach der Beendigung der Supplementierung wieder auf das ursprüngliche Niveau zurückging.
Obwohl die Effekte also reversibel sind, scheinen diese Stoffe kein sinnvoller Ersatz für Zucker zu sein, da sie den Glukosestoffwechsel beeinträchtigen.
Quellen:
(1): Are sweeteners and sugar substitutes bad for our intestinal microbiome? https://mybioma.com/en/blogs/science/sweeteners-and-sugar-substitutes-bad-for-our-intestinal-microbiome
(2) Gastric emptying of solutions containing the natural sweetenererythritol and effects on gut hormone secretion in humans:A pilot dose-ranging study https://dom-pubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/dom.14342
(3) Effect of the Natural Sweetener Xylitol on Gut Hormone Secretion and Gastric Emptying in Humans: A Pilot Dose-Ranging Study https://www.mdpi.com/2072-6643/13/1/174
(4) Personalized microbiome-driven effects of non-nutritive sweeteners on human glucose tolerance https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0092867422009199
(5) Maternal low-dose aspartame and stevia consumption with an obesogenic diet alters metabolism, gut microbiota and mesolimbic reward system in rat dams and their offspring https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31996393/